Hier mein Tagebucheintrag vom 15. November 1986 (gut möglich, dass ich auch Freudentränen in den Auge hatte).


Ich muss sagen, dass ich diese Nacht nicht gerade durch geschlafen habe. Als ich um drei mal raus ging, blies ein warmer Wind, teilweise waren auch die Sterne zu sehen.

Am Morgen bereitete ich mir auf dem Feuer einen Kaffee zu. In der Zwischenzeit briet ich mir den mitgebrachten Speck. Köstlich. Um zehn nach zehn ging es los zum ,Glacier Grey'. Zu Beginn hatte ich starken Gegenwind. Während einer Stunde ging es stetig aufwärts. Dann gelangte ich zu einem Bergsee, der hoch über dem Tal des Gletschersees lag. Von nun an führte der Weg grössten teils eben aus. Manchmal hatte es kurze Abstiege, gefolgt von ruppigen Aufstiegen. Irgendeinmal konnte man auf den Gletschersee sehen. Ich sah da ein paar Schaumkronen. Als ich aber genauer hinschaute, entpuppten sich diese als kleine Eisberge. Ich schaute mich um und konnte dann diverse andere Eisblöcke im See treiben sehen. Einige waren riesige Brocken. Ich folgte dem Weg weiter der teilweise durch traumhaft schöne Wandergebiete führte. Von rechts stürzten sich Wildbäche über viele Stufen herunter, um sich dann auf einem flachen Stück den Weg durch den urwüchsigen Wald zu suchen. Der Weg führte vorbei an den Felswänden, über Holzbrücken und durch den Wald. Einfach nur super. Und plötzlich, nach einer Bergkuppe, war die Sicht auf den Gletscher frei.

In diesem Augenblick hat sich ein weiterer Traum erfüllt. Ich wollte eigentlich keine Gefühle niederschreiben. Dieser Augenblick war aber so gewaltig und ergreifend. Da marschierst du durch eine märchenhafte Gegend, auf dem Weg einer deiner Träume zu sehen, und dann plötzlich stehst du davor. Ich bin überwältigt. Ganz alleine in dieser Gegend. Nur die herrliche Natur, der Wind der dir durch die Haare bläst und du ganz allein. Da spürst du wie nahe Gott ist. Dann zählt ein Kirchenbesuch nichts mehr. Dieses Gefühl von eins sein mit der Natur kann dir die Kirche nicht vermitteln. Ich schreie vor Freude. Ich schaffe in meinem Herz auch ein bisschen Raum für dies, um einmal in einer Zeit, wo ich mich traurig fühle, davon zu nehmen. Ich will nie vergessen wie schön das Leben ist. -

Nach weiteren 1 1/2 Stunden bin ich am Gletscher angelangt. Ich steige über den Felsen um ihn zu berühren, ihn zu küssen.

Hier mache ich auch meine Mittagspause. Die Farbe des Gletschers ist an vereinzelten Stellen blau, nicht nur bläulich, sondern richtig blau. Nach einer Stunde Rast mache ich mich auf den Rückweg. Ich drehe mich noch oft um, und dann gilt es Abschied zu nehmen. Ein letzter Gruss und der Gletscher Grey entschwindet meinem Blick.

Als ich zurück zur Hütte komme habe ich Besuch gekriegt. Eine Gruppe Französinnen und ein Argentinier sind angekommen. Das Feuer ist auch schon entfacht. Ich bereite mir das Nachtessen zu. Vor dem Schlafengehen nehme ich noch ein Bad im eiskalten See, rasiere mich und wasche mir die Haare. Dann krieche ich in den Schlafsack und bin rundum zufrieden.